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Science Slam: „Mit der Wissenschaft die Welt verstehen”

07.07.2025

Fünf Minuten, um das Publikum zu begeistern: Das gelingt Forschenden beim Science Slam der Münchener Universitätsgesellschaft.

Jasmine Frijters singt über Quantenphysik - mit Katzen-Bluse und Gitarre

Jasmine Frijters hat ihre Gitarre und einen Song über Schrödingers Katze dabei. | © LMU / LC Productions

Es kommt dann doch eher selten vor, dass in einem Uni-Hörsaal der Lärmpegel eines Presslufthammers erreicht wird. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Stoffkaninchen wiederbeleben, in Katzenbluse singen oder Fruchtgummi-Schnüre in Kochtöpfen verteilen, ist eher gering. Und doch passiert an diesem Donnerstagabend Ende Juni all das und noch viel mehr, denn die Münchener Universitätsgesellschaft lädt zum vierten Mal in den Hörsaal des Walther-Straub-Instituts ein. Es ist Zeit für den 4. MUG Science Slam.

Es ist kurz vor 19 Uhr, draußen fallen gerade die letzten Regentropfen zu Boden, drinnen trommelt Jasmine Frijters mit ihrem Kugelschreiber den Beat in ihren Kopfhörern nach. Die Studentin der Quantenwissenschaft singt leise den Text mit, in ein paar Minuten wird sie ihre Gitarre in die Hand nehmen und ihren Song performen. Der Titel? „Schrödingers Katze”. Das Konzept? „Ganz einfach”, sagt die gebürtige Niederländerin und singt: „Is there a cat? I´m not sure yet, maybe he´s dead.” Es ist einer von zwei Songs über das berühmte physikalische Gedankenexperiment an diesem Abend. „Mit der Wissenschaft kann man die Welt verstehen”, sagt Frijters, „mit Musik kann man sie erzählen.”

Wissenschaft in fünf Minuten erzählt

Berend Feddersen nutzt Zaubertricks für seine Freestyle-Performance über Palliativmedizin.

Bei der Freestyle-Performance von Berend Feddersen kommen weiße Kaninchen und Zauberwürfel zum Einsatz. | © LMU / LC Productions

Frijters ist eine von elf Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Science Slam. Egal ob Studierende, Postdoc oder Professorin, aufgeteilt in drei Kategorien haben alle fünf Minuten Zeit, um von der Welt und der Wissenschaft zu erzählen: per TED Talk, Freestyle oder Poetry-Slam. Über den Sieg entscheidet die Lautstärke des Publikums, die nach jeder Kategorie vom MUG-Vorsitzenden Peter Höppe per Dezibel-Gerät gemessen wird.

Besonders laut wird es nach der Freestyle-Performance „Über gutes Behandeln: Advance Care Planning” von Professor Berend Feddersen, ambulanter Palliativmediziner am LMU Klinikum: 118,11 Dezibel zeigt das Gerät an. Das ist vergleichbar mit der Lautstärke eines sich in der Nähe befindenden Presslufthammers. Feddersen reimt Informationen über Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Co. aneinander, vermischt diese gleichzeitig mit beeindruckenden Rubik´s-Cube-Zaubertricks und belebt nebenbei auch noch ein Stoffkaninchen wieder.

Denise Reitzenstein spricht über das antike Sparta, Hitler und Schleswig-Holstein

Denise Reitzenstein spricht über das antike Sparta, Hitler und Schleswig-Holstein.

© LMU / LC Productions
Kevin Heng begeistert mit seinem TED-Talk über Exoplaneten.

Kevin Heng begeistert mit seinem TED Talk über Exoplaneten. | © LMU / LC Productions

Der Hase, erzählt Feddersen später, ist eine Zauberrequisite aus den Siebzigerjahren, damals von einer Firma aus Las Vegas produziert, jetzt neu aufgelegt, so täuschend echt, dass seine Schwiegereltern glaubten, er bringe ein Haustier mit nach Hause. Feddersen zaubert schon ziemlich lange, mit vierzehn Jahren konnte er jonglieren, irgendwann dachte er sich: Wissenschaft und Zauberei, das passt, das gehört verbunden. „Die Menschen haben dadurch viel mehr Spaß und die Wissenschaft ist leichter zu erklären. Deswegen liebe ich die Science Slams”, sagt er.

Hier darf und soll alles stattfinden, was die Wissenschaft thematisch zu bieten hat: TED Talks über Exoplaneten (Kevin Heng, Professor an der Fakultät für Physik) und Neuroplastizität (Prateek Boga, Astrophysikstudent), Songs über Schrödingers Katze („Alice im Quantenland”, performt von der Physikstudentin Sofie Silbermann und Veit Ziegelmaier vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik), eine althistorische Analyse einer Suppe, die das antike Sparta mit Hitler und Schleswig-Holstein verbindet (PD Dr. Denise Reitzenstein) und Poetry-Slams über atmosphärische Monsterwelten (Robert Reichert, Postdoc Physik) und wahre Mordfälle in der Münchner Schwulenszene (Rudolf Kindtner, Jurastudent). „Schon irre, was hier auf die Bühne kommt”, sagt Moderator Vincent Courtens dazu. Nach jedem Auftritt kommt er auf die Bühne, moderiert die nächste Performance an, reißt Witze, animiert das Publikum.

„Die Leiden eines jungen Doktoranden”

Das zeigt sich besonders begeistert von einer Schnecke. In der Kategorie Poetry-Slam trug die Physikstudentin Zsófia Meggyesi „Die Leiden eines jungen Doktoranden vor”, der verzweifelt drei gereimte Briefe an den Forschungsausschuss der biologischen Fakultät München schickt und um Fördermittel bittet. Sein Forschungsthema: Schnecken („Pestizide, Rasenmäher, der Schneckentod kommt immer näher”). Meggyesi trägt die Briefe mit viel Witz und Wortgewandtheit vor, lässt Blätter fallen, zieht andere aus ihrem Socken hervor, eine Performance, die Zwischenapplaus hervorruft und ihr den zweiten Platz einbringt.

Dem armen Doktoranden hilft dies hingegen wenig, der Forschungsausschuss bleibt kalt, sein letzter Brief endet mit der Ankündigung seines beruflichen Wechsels: „Es gibt auf der Welt noch schöne Orte, in Frankreich, ja da lässt sich's leben, steh' jetzt wohl doch noch hinterm Tresen. Eine Kulinarität lässt sich besonders gut verkaufen, zu etwas war mein Studium doch noch zu gebrauchen.”

Im Gedicht von Zsófia Meggyesi geht es um einen verzweifelten Doktoranden und seine Begeisterung für Schnecken.

Im Gedicht von Zsófia Meggyesi geht es um einen verzweifelten Doktoranden und seine Begeisterung für Schnecken.

© LMU / LC Productions

Meggyesi selbst forscht an der LMU zur Entstehung des Lebens auf der Erde, letztes Jahr erzählte sie deshalb die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines einzelnen RNA-Moleküls nach. „Dieses Jahr habe ich versucht, das komischste Forschungsthema zu finden”, sagt sie. In Schnecken sei sie aber schon immer verliebt gewesen, schon in der Schule hielt sie Präsentationen über die Weichtiere. Einer ihrer Lieblingsfakten: „Schnecken können ohne Probleme eine scharfe Messerkante überqueren.” Dem Schleim sei Dank.

Zum MINT-Studium motivieren

In der Kategorie TED Talk holte sich Physikstudentin Carolina Krotsch den ersten Platz. Schon im letzten Jahr räumte Krotsch beim Science Slam ab, damals noch in der Kategorie Poetry-Slam. Krotsch referierte per Präsentation über den geringen Anteil an Frauen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik („Mission MINTpossible”). „Wenn ich mich in meinem Vorlesungssaal umschaue, sehe ich vielleicht zehn Frauen. Das kann nicht sein. Ich will mich mit meinem Vortrag dafür einsetzen, dass es mehr werden”, erzählt Krotsch später.

Lösungen liefert sie an diesem Abend gleich mit: Studierende sollen zu mehr Vorträgen von Wissenschaftlerinnen gehen, Eltern ihren Töchtern von Vorbildern erzählen, von Kolleginnen, die als Informatikerinnen arbeiten, von Marie Curie, der ersten Frau, die den Nobelpreis in Physik und in Chemie gewann. Und die Universitäten sollen per Fast-Track-Verfahren mehr Professorinnen berufen.

Beim Science Slam kommen alle zusammen

Beim Science Slam kommen Studierende und Forschende verschiedenster Fachrichtungen zusammen.

© LMU / LC Productions

Der Science Slam sei der perfekte Ort, um solche Themen anzusprechen, sagt Krotsch, denn hier kämen alle zusammen, Studierende, aber auch Geldgeber wie die Sparkasse (deren Vertreterin vor der Preisübergabe übrigens auch eine Rap-Performance hinlegte) und Organisationen wie die Münchener Universitätsgesellschaft. Wissenschaft, sagt Krotsch, sei keine Männersache. Sie sei auch keine Frauensache. „Wissenschaft ist eine Zusammensache.”

Die Platzierungen:

TED TALK:
1.Carolina Krotsch 2. Kevin Heng 3. Prateek Boga

FREESTYLE:
1. Berend Feddersen 2. Denise Reitzenstein 3. Jasmine Frijters

POETRY-SLAM:
1. Valentina Braekler 2. Zsófia Meggyesi 3. Rudolf Kindtner

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